Michael Hesemann, Historiker und Autor
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"Ist die CDU mehr U als C?"


Auf Einladung der Bundestagsabgeordneten Sylvia Pantel (CDU) sprach Michael Hesemann am 17. September 2014 vor dem CDU Ortsverband Düsseldorf Süd/Eller:

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

die vergangenen Wochen und Monate haben auch und gerade die CDU vor die größte Herausforderung ihrer Gegenwart gestellt, nämlich die Frage nach ihrer Selbstdefinition: Wer ist man, was will man?
Diese Frage geht einher mit einer zweiten, ja sie wird durch diese umso drängender: Warum, um Himmels willen, wählen die Leute diese AfD? Zweistellige Wahlergebnisse in Thüringen (10,6 %) und Brandenburg (12,2 %) sowie ein nahezu  zweistelliges Ergebnis in Sachsen (9,7 %) zwingen uns doch, diese Partei und ihre Wähler ernst zu nehmen, auch wenn gerade dazu in Berlin, im CDU Präsidium, niemand (oder besser: noch niemand) bereit erscheint.

Ich gebe zu, dafür mag es gute Gründe geben. Es ist natürlich viel einfacher, den Wähler zu beschimpfen, an seinem Verstand zu zweifeln oder die gewählte Partei als indiskutabel abzutun, als sich einmal ernsthaft mit dieser Frage zu befassen. Ja, die AfD mag eine „rechtspopulistische“ Partei sein, aber was, bittesehr, sagt uns das? Sollten wir nicht gerade diesen Charakter einmal untersuchen, statt ihn einfach als Totschlagargument zu gebrauchen und es dabei zu belassen. Rechtspopulistisch, pfui Deibel!

Nehmen wir diesen hübschen Kampfbegriff einmal unter die Lupe, so verrät er uns doch zweierlei. Da ist einmal das Wort „rechts“. Dass die AfD zumindest in ihrem Programm – für einzelne Parteimitglieder will ich die Hand nicht ins Feuer legen - nicht rechtsextremitisch ist, das wissen wir alle. Bislang fiel sie weder durch Antisemitismus noch durch Auschwitzleugnung oder Verherrlichung des Dritten Reiches auf. Im Gegenteil: Die „Bild am Sonntag“ vom letzten Wochenende karikierte Herrn Lucke als DDR-Sympathisant, weil er es gewagt hatte, Verständnis für Bürger zu zeigen, die der inneren Sicherheit in der DDR nachtrauern. „Rechts“ ohne das Extrem aber erinnert uns doch an die einstige Strauss-Doktrin: „Es darf keine Partei rechts von der CDU/CSU geben“. Die gibt es offenbar nun doch. Mehr noch, sie droht der CDU konservative Wähler abzujagen.

Steckt etwa etwas von der CDU in der AfD? Eben das behauptete Gregor Mayntz von der RP in seinem Beitrag („Wieviel CDU steckt in der AfD?“) in der gestrigen online-Ausgabe. Dabei wird nicht nur Lucke mit den Worten zitiert, seine Wähler fänden in seiner Partei genau das, was sie bei der CDU mittlerweile vermissen. Es wird auch dokumentiert, wie sehr das heutige AfD-Programm früheren CDU-Programmen ähnelt. „Tatsächlich haben frühere CDU-Positionen in den „Politischen Leitlinien“ der AfD große Bedeutung“, schreibt die RP und führt Beispiele aus der Wirtschafts-, Steuer, Einwanderungs-, Verteidigungs-, Frauen- und Familienpolitik an. Alles Positionen, die von der CDU in den letzten Jahren aufgegeben wurden, die aber offenbar bei einem nicht unbeachtlichen Teil der Wähler nach wie vor „ankommen“. Immerhin erklärten drei von vier AfD-Wählern, die Partei nicht „aus Protest“, sondern ausgerechnet „wegen ihres Programmes“ gewählt zu haben. Warum dann aber diese Dämonisierung? Muss heute verwerflich sein, was unter Helmut Kohl noch gut und richtig war?

Der zweite Teil des Kampfbegriffes „rechtspopulistisch“ ist freilich bedenklich. Was, um alles in der Welt, bedeutet „populistisch“? Wikipedia hat da eine schöne und leider sehr wahre Definition: „In der politischen Debatte ist Populismus oder populistisch ein häufiger Vorwurf, den sich Vertreter unterschiedlicher Richtungen gegenseitig machen, wenn sie die Aussagen der Gegenrichtung für populär, aber nachteilig halten.“ Der Sozialwissenschaftler Thomas Meyer nennt Populismus gar eine „Soziale Protestbewegung gegen entfremdete Herrschaft“. Heißt im Klartext: Protest gegen Politiker, die sich vom Bürger entfremdet haben. Noch direkter: Die die Ängste und Sorgen ihrer Wähler nicht mehr ernst nehmen. Und genau das ist doch, behaupte ich, das Geheimnis für den Erfolg der AfD.

Was aber bedeutet das für die CDU, meine sehr verehrten Damen und Herren?

Zunächst einmal, dass es die völlig falsche Strategie ist, den Kopf in den Sand zu stecken und so zu tun als sei nichts geschehen oder als gingen einen die Ergebnisse in den neuen Ländern nichts an. Wenn Sie glauben, es seien doch nur die Wähler im Osten, die sich so „täuschen“ ließen, werden Sie unweigerlich bei der nächsten Landtagswahl in NRW Ihre böse Überraschung erleben. Vielleicht nicht 10-12 % für die AfD, aber gewiss eine Landtagsfraktion. Und da wird es nicht viel nutzen, diese als Parias zu meiden, jede Koalitionsverhandlung zu untersagen, ihre Wähler zu beschimpfen. Sie sind dann da und sie werden bleiben, ob Sie das wollen oder nicht. Und sie werden Ihnen jeden Tag den Spiegel vorhalten, bis Sie da endlich einmal reinschauen.

Ich sage hier und ich schreibe es jedem von Ihnen ins Stammbuch: Wenn die etablierten Parteien die Sorgen und Nöte der Bürger ignorieren, dürfen Sie sich nicht über Politikverdrossenheit und noch weniger über Wählerstimmen für linke oder rechte Populisten wundern. Der Bürger, der Wähler will ernst genommen werden. Und wenn er das nicht wird, wird er sich bitter dafür rächen!

Und zweitens: Wenn es kaum mehr einen Unterschied macht, ob man SPD oder CDU wählt, wird der Wähler entweder gar nicht mehr zur Wahl gehen (zur Wahl zwischen WAS denn bittesehr?) oder er wird jene wählen, in deren Programm er sich und seine Werte vertreten, seine Sorgen berücksichtigt fühlt.

Eigentlich sollte Herr Lucke Frau Merkel doch nach jeder Wahl ein Dankestelegramm schicken. Denn, seien wir ehrlich: Die AfD wird nicht in erster Linie wegen ihrer Euroskepsis gewählt. Das war mal ein Aufhänger, von dem heute doch nur noch die Absage an einen Euro-Rettungsschirm und Milliarden für die Pleiteländer übrig geblieben ist. Die AfD wird gewählt, weil sich Bürger von ihr verstanden fühlen, weil sie in ihrem Programm all das wiederfinden, was sie bei der CDU schon seit längerem leidvoll vermissen!

Das ist einmal die Familienpolitik. Dass eine Partei, die sich christlich nennt, dem christlichen Menschenbild längst eine Absage erteilt hat, ist geradezu eine Ironie der Geschichte. Eine Kanzlerin, die Papst Benedikt öffentlich maßregelte, ein Bundespräsident, der an das Oberhaupt der katholischen Kirche auf einem Staatsempfang praktisch in eigener Sache appellierte und eine kirchliche Absegnung von “Brüchen im Lebenslauf“ – gemeint war Wulffs mittlerweile gescheiterte zweite Ehe – forderte, mag schon einige fromme Katholiken (und damit CDU Stammwähler) befremdet haben. Aber eine Familienpolitik, die eben nicht die traditionelle Familie in dem Mittelpunkt stellt, ein Familienministerium, vor dem die Regenbogenflagge der Homosexuellenbewegung gehisst wird, eine CDU-Regierung, die unter „Gleichstellung von Homosexuellen“ auch die Definition ihrer gewiss wertvollen Partnerschaften als „Ehe“ durchsetzt, überfordert dann doch die Toleranz vieler und nicht nur kirchennaher Wähler, denen die Ehe noch heilig ist und als geschützter Raum für das Heranwachsen und Reifen von Kindern gilt. Das mag altmodisch klingen, aber sind konservative Parteien nicht auch beauftragt, Altbewährtes zu bewahren? Muss sich die Mehrheit denn immer nach den Forderungen einer Minderheit richten, die gewiss gleiche Rechte haben soll, aber vielleicht nicht auch jene Privilegien, die doch mit ihrer besonderen Lebensweise sehr wenig zu tun haben. Das, so denke ich, ist das eine Thema, das viele konservative Wähler an der CDU Merkelscher Prägung befremdet, und da stehe ich nicht allein. Auch die „Welt“ sah das so in ihrer gestrigen Ausgabe. Überschrift: „Merkels linke Familienpolitik treibt Wähler zur AfD“. Fazit: „Gerade in der Familienpolitik hat der rigorose Modernisierungskurs der Kanzlerin viele konservative Wähler verprellt.“

Das andere Problem ist der Umgang mit dem Islam. Wobei es natürlich gleich heißt, der besorgte Wähler sei „rassistisch“ oder „islamophob“.

Wie sich die Rassismusdebatte hier einschleichen konnte, ist mir wirklich und aufrichtig ein Rätsel. Zunächst einmal ist die Aufteilung der Menschheit in Rassen ohnehin eine Idiotie. Nach christlichem Verständnis gehen wir alle auf unsere Ureltern Adam und Eva zurück, ist jeder Mensch durch seine Gottebenbildlichkeit von gleicher Würde. Es kam natürlich im Laufe der Evolution zu Anpassungen, aber die sollte man nun wirklich nicht überbewerten. Doch selbst wenn man das Rassenmodell aus dem 18. und 19. Jahrhundert übernehmen würde, müsste man doch fragen: Zu welcher Rasse, bittesehr, gehören die Muslime? Also ich kenne da genügend Konvertiten, die aus der gleichen Stadt, dem gleichen Volk stammen wie ich auch. Es gibt doch gelbe Muslime, weiße, braune, schwarze, nur von zum Islam konvertierten Indianern habe ich noch nicht gehört, aber eine „Rasse der Muslime“? Die gibt es nicht. Niemand ist dem Islam gegenüber skeptisch, weil es vielleicht Muslime mit dunkleren Augen oder schwärzeren Haaren gibt. Nein, der Grund für eine Islamskepsis ist doch ein anderer: Es sind die Nachrichtenbilder von den Schreckenstaten im Namen des Islam und es ist die tägliche Erfahrung mit Muslimen in Deutschland, die sich für bessere Menschen halten als wir „Ungläubigen“ und die sich unserer Gesellschaft verweigern. Das sind nicht alle, es sind zum Glück nur wenige. Aber diese wenigen sind ein Problem, die machen den Menschen Angst. Rassismus ist es also nicht, aber gewiss auch keine Islamophobie, denn Phobien sind doch eher irrational, ja krankhaft.

Es ist eine Skepsis aufgrund von Erfahrungen und Nachrichten. Und diese Skepsis müssen wir ernst nehmen.
Dabei geht es nicht um die Religion an sich. Wissen Sie, es gibt auch Hindus, die eine Göttin verehren, die Totenschädel Erschlagener um den Hals trägt, Kali heißt die. Aber es würde doch niemand bestreiten, dass Hindus, Inder, zu den nettesten, friedlichsten, angenehmsten Nachbarn gehören, die man haben kann. Und so hat doch auch kein vernünftiger Mensch etwas dagegen, dass ein Moslem fünf Mal am Tag betet, im Gegenteil: Als Christ sage ich: Hut ab vor einer solch konsequenten Frömmigkeit. Das Recht auf Religionsfreiheit ist eine Grundvoraussetzung für einen Rechtstaat. Und natürlich hat jeder Moslem im Lande ein Recht auf ein Gotteshaus, in dem er betet: eine Moschee! Das sind Selbstverständlichkeiten, über die brauchen wir als Demokraten doch gar nicht zu diskutieren.

Das Problem beginnt allerdings, wenn in eben dieser Moschee ausnahmsweise einmal nicht zu Frömmigkeit und Rechtschaffenheit, sondern zum Djihad, zum Heiligen Krieg gegen die Ungläubigen aufgerufen wird. Diese Verse stehen nun mal im Qur’an. Natürlich weiß ich, dass auch im Alten Testament Aufrufe zum Krieg etwa gegen die Amalekiter stehen. Aber dort stehen sie in einem bestimmten historischen Kontext, quasi als Anekdote aus der Geschichte: Vor 3500 Jahren, zur Zeit des Moses, rief dieser sein Volk zum Kampf gegen Amalek auf. Das ist ziemlich lange her. In keiner Kirche der Welt wird damit ein Aufruf zum Krieg gegen irgendein heutiges Volk aufgerufen. Der Qur’an aber enthält solche Aufrufe, ohne sie in einen historischen Kontext zu stellen. Kluge Gelehrte können uns versichern, Muhammad habe sie verkündet, als er Mekka erobern wollte. Das ist ja alles schön und gut. Tatsächlich aber berufen sich Muslime seit fast 1400 Jahren auf eben diese Verse, als sie in Spanien, in Vorderasien, im byzantinischen Reich einfielen, als sie vor über 300 Jahren vor Wien standen, als die Türken vor hundert Jahren die armenischen, griechischen und syrischen Christen ihres Landes in den Tod trieben oder wenn heute der Islamische Staat gegen Christen, Jeziden und Schiiten kämpft. Sie sind zeitlos. Und darum machen sie Angst.

Das Problem am Islam ist doch nicht sein Glaube, seine Frömmigkeit, seine Gebete oder das Fasten. Es ist sein diesseitiger Anspruch, auf die Errichtung eines Gottesreiches auf Erden. Dieser Anspruch ist der große Unterschied zwischen Islam und Christentum. Christi Reich ist nicht von dieser Welt, das des Islam sehr wohl. Er will den Islamstaat. Die Scharia, die eben nicht nur eine Art Kirchenrecht, sondern weltliches Recht und Grundlage fast jeder Verfassung und jedes Gesetzes in der arabischen Welt ist. Die Christen zu rechtlosen Ungläubigen erklärt, die getötet werden dürfen, ohne dass eine Bestrafung erfolgt. Und diese Scharia, nicht die Frömmigkeit des Islam, sondern der Anspruch einer Religion, weltliche Gesetze zu diktieren und eine theokratische Zweiklassengesellschaft aufzubauen, macht den Menschen Angst. Wie akut diese Gefahr ist, lasen wir letzte Woche in der Zeitung. In Wuppertal patrouillierte eine „Scharia-Polizei“. Der Islam erhebt also Anspruch darauf, das Leben der Muslime auch in unserer Gesellschaft zu reglementieren, sie zu maßregeln. Längst gibt es in vielen Städten eine Paralleljustiz mit islamischen Friedensrichtern, die nach der Scharia urteilen. Und diese Scharia, meine Damen und Herren, die steht nun mal im Widerspruch zum Grundgesetz, im Widerspruch zur Trennung von Staat und Kirche, zur Gleichheit vor dem Gesetz. Sie darf sich in Deutschland nicht breitmachen. Es darf hierzulande keine Parallelgesellschaften geben und keine zwei Gesetze. Da ist die Politik gefragt, da muss sie handeln. Da muss sie auf die Ängste der Menschen reagieren, die sich doch längst überfremdet fühlen, die immer mehr verschleierte Frauen und bärtige Männer auf den Straßen sehen, meist mit Kinderwagen. Längst werden mehr Kinder muslimischer Familien in Düsseldorfer Grundschulen angemeldet als solche christlicher Familien. Die Geschichte hat gezeigt, dass überall dort, wo Muslime in der Mehrheit sind, sich die Scharia durchsetzt. Und wir müssen uns ernsthaft fragen, ob wir das wollen. Es wird geschehen, wenn die Politik weiter schläft.

Und was macht die CDU? Bagatellisiert „bedauernswerte Pannen“, wenn etwa das CDU-Logo durch den Halbmond verunziert wird. Den roten Halbmond, wohlbemerkt, der eher sekundär ein islamisches Symbol ist, sondern, vor allem, eines der Türkei, also eines fremden Staates, in dem bestimmt nicht gerade alles „gold“ ist. In Neuss koaliert man mit einem Mitglied der „Grauen Wölfe“, andere „Wölfe“ werden gar Mitglieder der CDU. Wer sind die „Grauen Wölfe“? Das sind die Mitglieder der türkischen NPD! Einer terroristischen, islamofaschistischen, nationalistischen Partei in der Türkei, die allein zwischen 1974 und 1980, als sie in der Türkei im Untergrund agierte, für 684 politische Morde die Verantwortung trug. Auch die Pogrome von Kahramanmaras 1978 und Corum 1980, bei denen Hunderte Aleviten ermordet wurden, gehen auf ihr Konto. Ihre Feindbilder sind Kurden, Aleviten, Schiiten, Juden und Christen. Ihre Vorbilder sind die Jungtürken, die 1915-18 2,5 Millionen Christen, meist Armenier, in dem ersten großen Völkermord des 20. Jahrhunderts ermordeten. Ihre Ideologie ist der Panturanismus, der ein rassereines, muslimisches, großtürkisches Reich von den Westprovinzen Chinas bis auf den Balkan anstrebt. Sie wollen nicht die Integration der Türken, sondern reden ihnen ein, Herrenmenschen zu sein, auserwählt, überall dort, wo Türken leben, nach der Macht zu greifen. Und Mitglieder dieser brandgefährlichen Bewegung unterwandern über das „Deutsch-Türkische Forum“ die CDU. Darf man sich da wundern, dass den Bürgern Angst und Bange wird? Und sollten wir diese Ängste nicht ernst nehmen, statt jene zu dämonisieren, die den Mut haben, sie auszusprechen?

Natürlich: Der Großteil der Muslime besteht aus friedlichen, angenehmen, hart arbeitenden Mitmenschen. Aber es gibt eben auch die andere Seite, das Gewaltpotenzial. Das dürfen wir nicht ignorieren. Warum war denn die große und wichtige Solidaritätskundgebung für unsere jüdischen Mitbürger in Berlin am letzten Wochenende notwendig geworden? Doch weil es zuvor und infolge des Palästina-Konfliktes zu einer ganzen Reihe antisemitischer Kundgebungen und Exzesse im Lande gekommen war. Zu Übergriffen auf Juden, zu Einschüchterungen. Die nicht etwa auf tumbe Neonazi-Spinner zurückgehen, sondern auf muslimische Mitbürger. Nun ist es doch ein Grundkonsens unseres Landes, sollte eigentlich mit goldenen Lettern ins Grundgesetz geschrieben sein, dass ein Grundauftrag der Bundesrepublik die Aussöhnung mit den Juden ist. Unsere Generation hat sich noch ganz groß das „Niemals wieder!“ und „Wehret den Anfängen“ auf die Fahnen geschrieben. Wie dankbar waren wir, als jüdisches Leben in unseren Städten wieder aufblühte, wie sehr hat es uns seitdem bereichert. Dürfen wir das aufopfern, nur weil jetzt, so Wulff, doch auch der Islam ein Teil von Deutschland ist, samt der antisemitischen und dezidiert Antiisrael-Einstellung einiger seiner Anhänger? Nein, meine Damen und Herren, hier ist doch der Staat gefordert, einzugreifen und die Politik, auch Ross und Reiter zu nennen. Wenn, wie leider auch in Berlin, in einem Atemzug Antisemitismus und „Islamophobie“ genannt werden, vergisst man doch, dass Letztere auch eine Folge des Erstgenannten sein kann: Angst vor dem Islam eben wegen seines intoleranten Auftretens, gerade auch den Juden gegenüber, ein Auftreten, das bei uns doch Erinnerung an das dunkelste Kapitel unserer Vergangenheit wachruft.

Aber wo, bitte, wird das thematisiert? Auch hier führt doch das Ausweichen der Politik, das Vermeiden, ein Problem anzusprechen, dazu, dass die Wähler in die Hände der Populisten getrieben werden!

Das waren nur zwei Beispiele, meine Damen und Herren, die uns fragen lassen: „Was ist nur aus unserer CDU geworden?“. Der Journalist Klaus Kelle brachte es im FOCUS nach der Europawahl auf den Punkt: „Den Wähler im Stich gelassen. Der Erfolg der AfD ist das Versagen der Union“. Kelle weiter:

„Ich durfte live dabei sein, als (vor zehn Jahren) Prof. Nolte von der Universität Bremen in Düsseldorf sein Papier vorstellte, das eine deutliche Öffnung der Union für die „urbanen Millieus“ empfahl. Fortan war alles möglich, zumindest bei der CDU. Frauenquoten und Gender-Quatsch, die weitgehende Verstaatlichung der Kindererziehung, öffentliche Papst-Schelte, Alice Schwarzer als CDU-Wahlfrau bei der Bundespräsidentenwahl, von oben organisiertes Freiräumen von Wahlkreisen für muslimische Kandidaten und vieles andere. Fragte man bei Politikern und PR-Profis der Union, was denn mit den eher konservativen Stammwählern sei, die sonntags in die Kirche gehen, die ihre Kinder selbst erziehen wollen, die als Landwirte, Handwerker, Vertriebene stets und jahrzehntelang treu zu ihrer Partei gestanden hatten, so erhielt man den lakonischen Hinweis: „Die können ja keine anderen wählen als uns.“

Seit der Gründung der AfD können sie eben doch…

Kelle weiter: „Die Strategie der Transformation der CDU zur „modernen Großstadtpartei“ ist ein kolossaler Fehlschlag, der in der Geschichte politischer Kampagnen seinesgleichen sucht. Zahlreiche Großstädte und Oberbürgermeister hat die CDU in den vergangenen Jahren verloren – wohlgemerkt, die hippe Großstadtpartei. Landesregierungen weg, katastrophale Wahlschlappen in den Ländern. Manch einer in der Union hat gehofft, die Bundestagswahl 2013 sei die Wende. 41,5% - sensationell. „Merkel hat doch Erfolg mit ihrer Strategie“, sagte ein Bundestagsabgeordneter danach zu mir. Ja, Merkel hat Erfolg, die Wiederwahl im September war allein ihrer Person und ihrem Auftreten geschuldet. Aber die CDU? Die bleibt nach und nach auf der Strecke, inhaltlich und personell entkernt.“

Und was, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird aus der CDU nach Merkel?

Der große Fehler der CDU ist ihre Verneigung vor der Beliebigkeit. Der Verrat ihrer Identität. Ihre Selbstaufgabe. Die Überbetonung des „U“ unter gleichzeitiger Kleinschreibung des „C“. Und damit die Aufgabe aller Werte, aller Fundamente, auf denen diese große deutsche Volkspartei einmal stand, ja der Verrat an der Vision ihrer Gründer, der Verrat an all dem, was diese Partei zur treibenden Kraft gemacht hat beim Wiederaufbau dieses Landes, bei der Schaffung einer demokratischen Gesellschaft dort, wo noch vier Jahre zuvor ein totalitäres Regime geherrscht hatte, als sie die Grundlage legte für unseren Wohlstand durch die Einführung der sozialen Marktwirtschaft.

Was der CDU heute fehlt ist eine solche Vision, ist ein Ziel, ist auch ein Fundament. Was die Visionen betrifft, so kann man noch süffisant Helmut Schmidt zitieren, der meinte, wer Visionen hätte, solle zum Arzt gehen – ein klares Plädoyer für den Pragmatismus, die Realpolitik. Aber wer keine Identität hat, meine sehr verehrten Damen und Herren, dem hilft auch kein Arzt mehr, der ist reif für die Klinik!

Die CDU der Ära Merkel versteht sich als Union: Nach allen Seiten hin offen, ein Auffangbecken für alle, eine große Volkspartei, die praktisch zur demokratischen Einheitspartei werden könnte, wenn es nicht noch die lästige SPD geben würde. Regiert wird nicht nach Programm, sondern nach Tagesaktualität. Eigentlich wird gar nicht mehr regiert, sondern nur noch reagiert. Noch einmal: Wer wundert sich da über Politikverdrossenheit? Ich erinnere mich noch gut an meine Jugend, als wir für die CDU Werbung gemacht haben, weil wir an ihre Grundwerte geglaubt haben, als es um christliche Politik ging und um „Freiheit statt Sozialismus“.

Vielleicht kann man mit rein konservativen Themen heute keine Wahl mehr gewinnen. Aber ohne sie wird die CDU bald auch keine Wahl mehr gewinnen!

Heute mag sie ein Kanzlerinnen-Wahlverein sein und damit noch halbwegs gut abschneiden. Aber was, wenn Frau Merkel in den wohlverdienten Ruhestand geht oder Angebote aus Brüssel oder New York annimmt? Wird die Partei dann, wie heute die FDP, die ja auch einmal, wofür überhaupt?, stand, in die Bedeutungslosigkeit versinken?

Wahrscheinlich. Es sei denn, sie nutzt ihre letzte Chance.

Denn eine Union zu sein ist noch kein Parteiprogramm. Union kann alles sein, sogar ein schlechtes Bier. Sorry, als Düsseldorfer trinke ich lieber Alt! Das, was die CDU wirklich von allen anderen Parteien unterscheidet, ist doch nicht ihr letzter Buchstabe, sondern ihr erster, das C. C für Christlich. Was das bedeutet?

Bestimmt nicht, dass diese Partei nur für fromme Kirchgänger wählbar sein darf.

Sehr wohl aber, ganz bestimmt, dass ihre Grundlage das christliche Menschenbild ist. Dieses Menschenbild ist die Grundlage unserer Zivilisation. Es lehrt die Gottebenbildlichkeit und damit die unbedingte Würde des Menschen – jedes Menschen, gleich ob schon geboren oder noch ungeboren, ob behindert, krank oder alt. Dieses Menschenbild bewirkte das Ende der Sklaverei und die Proklamation der Menschenrechte. Dieses Menschenbild ist das Geheimnis, weshalb Demokratie eigentlich so richtig nur in christlichen Gesellschaften funktioniert. Dieses Menschenbild aber ist nur dann kraftvoll, wenn es nicht an allen Ecken und Enden relativiert wird. Wenn tatsächlich das Leben von der Sekunde seines Entstehens an geschützt wird, wenn das Naturrecht gilt, wenn eine Ehe eben doch nur eine Partnerschaft ist, die dem Heranwachsen von Kindern einen sicheren Rahmen schafft, wenn die Würde der Alten und Kranken gewahrt wird, wenn am Leben nicht experimentiert und das Leben auch nicht künstlich verkürzt wird. Ist ein solches Menschenbild, das Lebensschutz Seite an Seite mit der Bewahrung der Schöpfung stellt, wirklich ein Auslaufmodell?

Glaubwürdige Politik verlangt glaubwürdige Politiker. Natürlich kann man sich so weit in alle Richtungen hin öffnen, dass man am Ende für nichts mehr steht. Doch wenn man für nichts mehr steht, wofür soll man dann gewählt werden?

Jeder Unternehmensberater würde raten, dass „Corporate Identity“ das A und O ist – eine Kernkompetenz, etwas, für das man steht und das man glaubwürdig vertritt. Die CDU hat eine solche Corporate Identity, steht für Werte, steht für eine werteorientierte und nachhaltige Politik. Ich denke, es ist gerade das, wonach sich die Menschen sehnen. Denn es ist die Antwort auf all das, worum sie sich sorgen und wovor sie sich fürchten: eine ungewisse Zukunft, ein Boot, das auf den Wellen treibt, bis es zerschellt.

Ich behaupte sogar, dass eine Rückkehr zu einer klaren christlichen Identität auch den Dialog mit dem Islam erleichtert. Denn kaum etwas verachtet der Moslem so sehr wie den Gottlosen, den er geringer schätzt als einen Hund, und der Islam ist leider Gottes sehr hundefeindlich. Wir werden auch von Muslimen erst respektiert, wenn wir uns klar zu unserem Glauben bekennen, statt ihn abzuleugnen. Wenn wir zu unseren Werten stehen und wenn wir ihm ihre Vorteile, die Stärken unseres Glaubens gegenüber dem Islam, glaubhaft vorleben.

Und auch auf die Gefahr einer Überfremdung gibt es, ganz wie auf die demographische Krise, nur eine Antwort: Eine konsequente christliche Familienpolitik, die junge Paare fördert, junge Mütter privilegiert und Frauen, die an eine Abtreibung denken, eine vernünftige Alternative anbietet. Pro Kind und pro Familie sollte eine solche Politik aussehen, nicht pro Homo-Ehe!

Wir dürfen unseren Glauben, unsere Identität und unsere Herkunft nicht länger ableugnen, denn dafür sind sie zu wertvoll.

Es gibt keine bessere Botschaft der CDU als ihr erster Buchstabe. Sie muss diesen ihren Schatz nur wieder entdecken und heben. Und konsequent und glaubwürdig vertreten. Dann klappt’s auch wieder mit den Wählern, die, wie alle Konsumenten, doch am liebsten einer liebgewonnenen Marke treu bleiben, als mit Neuem zu experimentieren. Dann wird auch die AfD schnell überflüssig – oder kann als Koalitionspartner genutzt und assimiliert werden. Sie war ohnehin nie etwas anderes als das ausgeklammerte „alter ego“, das vergessene und geleugnete Erbe der CDU. Die wahre Alternative für Deutschland aber ist eine CDU, die wieder zu sich selbst gefunden hat!